Inhalt
Im Rahmen einer Semesterarbeit habe ich mich mit dem Thema Provokation als Werbestrategie beschäftigt.
Dies ist nur ein Teil der Ausarbeitung. Die vollständige Arbeit mit allen Quellen kann auf Anfrage (team@indra-zahner.de) gerne versendet werden.
Einleitung
In Deutschland nutzen rund 66,6 Millionen Menschen das Internet. Darunter sind 11,55 Millionen, die angeben es ständig zu nutzen und 32,42 Millionen, die es mehrmals täglich nutzen. Das bietet Firmen eine große Chance, da über das Internet eine hohe Reichweite erzielt und effektiv geworben werden kann. Doch wie kann man sich von der Masse abheben und auf sich aufmerksam machen? Mit dieser Frage sehen sich viele Unternehmen konfrontiert. „Werbung, die besonders kreativ ist, überrascht und mitunter auch provoziert, steigert bei Konsumenten die Aufmerksamkeit“ heißt es in einem Bericht des ARD- Forschungsdienst. Doch gerade bei dem Stilmittel der Provokation ist Vorsicht geboten. In der Vergangenheit zogen provokative Werbekampagnen nicht nur viel Aufmerksamkeit auf sich. Oft hört man zwar, dass jede Publicity gute Publicity ist, aber stimmt das heutzutage noch?
Es kommt immer wieder vor, dass provokative Kampagnen auf Unverständnis treffen und eine Welle der Empörung nach sich ziehen. Dies kann zu bleibenden Imageschäden führen und ist für die Werbetreibenden nicht wünschenswert. Ein aktuelles Beispiel des Unternehmens „True Fruits GmbH“ zeigt deutlich, wie provokative Werbung aussehen kann und wie Provokation zunehmend auf Unverständnis trifft.
Forschungsziel
In dieser Arbeit sollen vor allem die Chancen eines provokativen Internetauftritts erörtert werden, aber auch die damit verbundenen Risiken. Dabei stehen die Werbetreibenden immer vor der Frage, wie viel Provokation nötig ist, um Aufmerksamkeit zu generieren und ab wann eine dauerhafte Rufschädigung nicht mehr vermieden werden kann. In Verbindung mit provokativer Werbung soll ebenfalls untersucht werden, inwiefern sensible Themen eine Rolle in der Entwicklung eines Shitstorms spielen. Somit ergeben sich für diese Projektarbeit folgende Forschungsfragen:
Wie viel Provokation ist nötig, um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und ab wann ist es zu viel? Und welche Themen sollten bei einer provokanten Werbestrategie gemieden werden?
True Fruits GmbH und ihre Werbestrategie
Die Firma True Fruits GmbH wurde 2006 von Marco Knauf, Inga Koster und Nicolas Lecloux gegründet. Laut der eigenen Internetseite sollen sie die ersten Anbieter von Smoothies in Deutschland gewesen sein. True Fruits verspricht gesunde Smoothies und enthält „keine Konzentrate, keine Farbstoffe, keine Zuckerzusätze, keine Stabilisatoren oder anderen unnatürlichen Quatsch“. Seit 2008 sind die Smoothies in vielen großen Lebensmitteleinzelhandelsketten in Deutschland erhältlich und kurze Zeit später auch in Österreich und der Schweiz. Im Jahr 2009 erhielt das Unternehmen den deutschen Gründerpreis.
Das Sortiment wird kontinuierlich durch neue Sorten Smoothies, Säfte und regelmäßig neuen Limited Editions erweitert. Die Limited Editions zeichnen sich durch aufwendig gestaltete Flaschen aus und sind jedes Mal nur für kurze Zeit erhältlich.
True Fruits setzt beim Marketing und den Produktnamen oft auf Provokation. Sie verstehen sich selbst als Unternehmen, dass sich treu bleibt, auch wenn es aneckt und Gegenwind erhält. Diese Philosophie erkennt man deutlich am öffentlichen Auftritt der Marke und Ihren Werbekampagnen. Beispielsweise führte True Fruits 2017 den „Eier aus Stahl-Award“ ein, der Unternehmen auszeichnen soll, die auch mal gegen den Strom schwimmen und sich nicht verbiegen. Auch die Werbekampagnen sorgen regelmäßig für Schlagzeilen. Die oft gesellschaftskritischen Kampagnen behandeln Themen wie zum Beispiel Plastikmüll, Sexismus oder die Bundestagswahlen. Auch auf der eigenen Webseite nimmt die Firma sich selbst nicht ernst. Beispielsweise wird hauptsächlich Umgangssprache und auch Schimpfwörter genutzt und auch auf der Teamseite präsentiert sich der Gründer mit erhobenen Mittelfinger.
In dieser Arbeit wird hauptsächlich auf eine Werbekampagne von dem Unternehmen True Fruits Bezug genommen. Bereits 2016 bewarb True Fruits ihren neuen Chiasamen Smoothie mit Slogans wie zum Beispiel „Bei Samenstau schütteln“, „Oralverzehr – schneller kommst Du nicht zum Samenerguss“ und dem Hashtag #samensaft und ernteten daraufhin viel Kritik. Im Zuge der Parlamentswahlen in Österreich 2017 wurde eine neue Kampagne ins Leben gerufen. Ein weißer Smoothie in einer schwarzen undurchsichtigen Flasche wurde in Österreich und in den sozialen Netzwerken mit verschiedenen kontroversen Sprüchen beworben. Bereits 2016 wurde dieser Smoothie in der schwarzen Flasche mit dem Slogan „Unser Quotenschwarzer“ beworben und sorgte damit für Aufsehen.
Mit Slogans wie zum Beispiel „Schafft es selten über die Grenze“ oder „Noch mehr Flaschen aus dem Ausland“ wurde der neue Smoothie in den sozialen Netzwerken und auch auf insgesamt 1580 Flächen in Österreich beworben und erreichte schätzungsweise 75 Millionen Menschen. Die Kampagne sollte „eine Kritik an der rechts angehauchten Politik Österreichs“ und ein klares Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit sein. Doch die Botschaft kommt nicht gut an. Die Reaktionen auf die Werbeaktion sind überwiegend negativ und schnell steht der Vorwurf des Rassismus im Raum. Die Kampagne bedient Klischees, mit denen schwarze Menschen beinah täglich konfrontiert werden, heißt es in einem Blogartikel. „Niemand in diesem Land möchte einsehen, dass wir jeden Tag daran erinnert werden, dass wir anders sind. Jeden Tag darauf aufmerksam gemacht, dass Schwarz sein mit einem bestimmten Set von Eigenschaften mit sich trägt“ wird in einem Kommentar unter einem der Bilder von True Fruits geschrieben und fasst die Kritik zusammen.
Das Unternehmen ließ nicht lange auf sich warten und veröffentlichte ein Statement auf Instagram. Auf der ersten Kachel des mehrteiligen Postings steht groß „Ja, wir sind diskriminierend.“ Gefolgt von einem kleinen Schriftzug „Achtung: Diese Werbung könnte von dummen Menschen missverstanden werden“. Auch in dem langen Statement werden Kritiker immer wieder als dumm betitelt. In den Kommentaren des Beitrags trifft das Statement auf wenig Verständnis.
SWOT-Analyse
In der SWOT-Analyse werden verschiedene Bereiche genauer betrachtet. Zu Beginn wird eine interne Analyse des Unternehmen True Fruits GmbH durchgeführt und auf die Stärken und Schwächen herausgearbeitet. Darauf folgt eine Analyse der externen Chancen und Risiken.
Interne Analyse
In der internen Analyse wird mithilfe von Literatur und verschiedener Quellen sowohl die Stärken als auch die Schwächen des Unternehmens erörtert. Daraus ergibt sich ein Stärken-Schwächen Profil, das als Grundlage zur späteren Handlungsempfehlung dient.
Stärken
Das Unternehmen True Fruits wurde 2006 gegründet und war laut eigenen Angaben einer der ersten, die Smoothies in Deutschland auf den Markt gebracht haben. Gerade in der Gründungszeit verschaffte es der Marke einen Vorsprung. Zu Beginn bestehen die Kunden hauptsächlich aus Bars und Cafés und Fitnessstudios und dem ersten großen Kunden das Petit-Bistro von Aral. Nicht mal ein Jahr nach der Gründung werden die Produkte bei dem Lebensmitteleinzelhandel Rewe ins Sortiment aufgenommen. Ein Jahr später ist der Smoothie auch in anderen großen Einzelhandelsunternehmen, wie zum Beispiel Edeka und Metro gelistet.
Zu den Stärken des Unternehmens gehört auch das junge und scheinbar gut gelaunte Team. Es gibt zwar keine zuverlässigen Daten zur internen Zusammenarbeit, das Team präsentiert sich aber als humorvoll, gut gelaunt und dynamisch. Das wird besonders deutlich durch die einzelnen Profile jedes Mitarbeitenden. Dort gibt es zu jeder Person ein kleinen humorvollen Text und einen unterhaltsamen Fakt. Insgesamt präsentiert sich das ganze Team als eine Einheit.
Eine weitere Stärke des Unternehmens ist das kreative Marketing. Ein Blick in die Kommentare in den sozialen Medien zeigt, dass die humorvollen Bilder und Smoothies mit Wortspielen kommen überwiegend gut in der Community an. Um das Thema Nachhaltigkeit zu unterstützen, gibt es für die Glasflaschen der Smoothies mittlerweile 16 Flaschenaufsätze. Vom Metallverschluss, um die Flasche als Trinkflasche benutzen zu können, über einen Gewürzmühlenaufsatz bis hin zu einem Aufsatz, der die Flasche in einen Seifenspender verwandelt. Vergleichsweise Produkte bietet kein anderer Smoothie Hersteller an. Diese Aufsätze bieten einen Mehrwert und laden zur Wiederverwertung von gebrauchten Flaschen ein.
Gerade in den sozialen Netzwerken ist es wichtig, dass der Auftritt authentisch ist und die eigenen Werte vertreten werden. Dadurch wird gezielt eine Zielgruppe vom Unternehmen angesprochen. Wenn die Markenwerte immer wieder wechseln, erschwert das die Eingrenzung der Zielgruppe und somit das gesamte Marketing. In diesem Punkt ist True Fruits ganz klar: „In den letzten 10 Jahren haben wir die Dinge gemacht, die wir persönlich gut fanden. Und klar, wer seinen eigenen Weg geht, der eckt hier und da an. Wir sind uns treu geblieben – auch wenn es Gegenwind gab“. Das Unternehmen bleibt auch bei negativen Schlagzeilen ihren Werten treu und steht zu der vertretenen Meinung. Und das wird auch offen kommuniziert. Deswegen führte True Fruits den „Eier aus Stahl Award“ ein. Der wird an Unternehmen verliehen, die zu ihren Prinzipien und Meinungen trotz Gegenwind stehen.
Schwächen
Seinen Werten treu bleiben und zu seiner Meinung stehen wird oft als Stärke ausgelegt. Allerdings kann dieses Verhalten auch dazu führen, dass konstruktive Kritik nicht ernstgenommen wird und eigenes Fehlverhalten nicht reflektiert wird. Die Firma True Fruits reagierte auf die Rassismus und Sexismus Vorwürfen mit einem Statement auf Instagram, indem sie Kritiker und „vermeintlich Diskriminierte“ mehrfach als dumm bezeichnen und erklären, dass es keinen Grund gäbe sich über die Kampagne aufzuregen. In diesem Beitrag wird deutlich, dass True Fruit zwar weiterhin zu ihren Aktionen stehen, aber jede Art von Kritik nicht ernst nehmen und somit einer ernsthaften Auseinandersetzung mit dem Thema aus dem Weg gehen. Die Kommentare lassen den Eindruck entstehen, dass das Unternehmen sich mit diesem Statement noch weiter in den Shitstorm manövriert.
Ein weiterer Kritikpunkt an True Fruits ist auch, dass es in dem Team keine Diversität gibt. Der Blogartikel kritisiert, dass es in dem Unternehmen keine schwarzen Menschen und People of Color tätig sind. Auch drei Jahre später im Jahr 2022 sind lediglich weiße Menschen auf der Unternehmensseite zu finden. Dadurch fehlt in dem Unternehmen die Perspektive einer von Rassismus betroffenen Person. Da vermutlich keiner der Mitarbeiter direkt von Rassismus betroffen ist, kann diese unterschiedliche Auslegung von Rassismus zu Stande kommen.
Externe Analyse
In der externen Analyse wird mithilfe von Literatur und verschiedener Quellen die Chancen und Risiken der Branche und die äußeren Umstände analysiert. So können externe Faktoren in die Entwicklung einer Handlungsempfehlung mit einfließen.
Chancen
Die fehlende Konkurrenz verhalf dem Unternehmen in der Anfangszeit, schnell an Beliebtheit zu gewinnen. Innerhalb von zwei Jahren entwickelte sich True Fruits zu einem großen Unternehmen, welches in vielen großen Handelsketten vertreten ist. Auch wenn die Konkurrenz nicht lange brauchte um aufzuholen, verhalf der Vorsprung True Fruits zum Erfolg.
Auch wenn die Kampagne von 2017 um die schwarze Flasche für einen Shitstorm sorgte und das Statement auf Instagram hauptsächlich negative und beleidigende Kommentare erhielt, ist der Beitrag einer der erfolgreichsten Beiträge des Unternehmens auf Instagram. Mit über 22 000 „Gefällt mir“-Angaben sticht dieser besonders hervor. Reguläre Beiträge erhalten oft gerade einmal bis zu 1 000 „Gefällt mir“-Angaben und Bilder mit humorvollen Sprüchen erreichen meistens zwischen 1 000 bis 5 000 „Gefällt mir“-Angaben. In seltenen Fällen erreichen einzelne Postings auch bis zu 10 000 „Gefällt mir“-Angaben. Das zeigt, dass der Beitrag deutlich mehr Menschen erreichte als die üblichen Beiträge. „The fastest way to a click is anger“ sagte die Facebook-Whistleblowerin Frances Haugen. Der Algorithmus von Facebook und Instagram fördert Beiträge besonders, mit denen oft interagiert wird. Um eine schnelle Reaktion zu provozieren, ist Wut das einfachste Mittel. Das macht True Fruits sich zu nutzen und kann so ohne ein größeres Werbebudget noch mehr Menschen erreichen.
Die provokativen Kampagnen des Unternehmens schaffen es immer wieder in die Berichterstattung. Sowohl regionale als auch überregionale Zeitungen und Sendungen berichten immer wieder über die Kampagnen. In Deutschland hat 2021 eine Aktion von True Fruits für besonders viel Aufsehen gesorgt. Im Rahmen der deutschen Bundestagswahl wurden Flaschen dem Logo und einem Auszug des Wahlprogramms produziert. Von dieser Aktion berichteten viele große Medienhäuser und auch die Tageschau griff die Kampagne auf.
Gerade die kontroversen Kampagnen sind besonders medienwirksam. Durch die Berichterstattung werden noch mehr Menschen auf die Marke aufmerksam. Das bietet für True Fruits die Chance, noch mehr Menschen zu erreichen und sich von der Konkurrenz abzuheben.
Risiken
Auch wenn True Fruits zu Beginn nahezu keine direkte Konkurrenz hatte, kamen schon kurze Zeit später zahlreiche Konkurrenzprodukte anderer Hersteller auf den Markt. Mittlerweile gibt es mindestens 62 Marken in Deutschland, die ebenfalls Smoothies anbieten. Bei zunehmender Konkurrenz wird es immer schwieriger sich von anderen Herstellern abzuheben. Sie werben zwar damit, besonders gesund, nachhaltig und frei von Zusätzen zu sein, können sich damit aber nicht mehr von anderen Herstellern abheben.
Das Stilmittel der Provokation kann für Unternehmen auch einige Risiken bergen. Gerade die Themen Sexualität und Gewalt sollten mit Vorsicht behandelt werden. Provokation kann sinnvoll sein, sollte aber die Kognitive oder emotionale Grenze der Zielgruppe nicht überschreiten, heißt es in dem Bericht der ARD- und ZDF-Forschungskommission. True Fruits überschreitet diese Grenze nicht nur durch die Kampagne, sondern auch durch das Verhöhnen der Kritiker.
Umstrittene Kampagnen haben nicht nur Einfluss auf die öffentliche Wahrnehmung des Unternehmens, sondern auch wirtschaftliche Folgen. Der Smoothie in der schwarzen Flasche wurde laut True Fruits aufgrund schlechter Verkaufszahlen aus dem Sortiment genommen. Die Kampagne zur deutschen Bundestagswahl 2021 hatte ebenfalls wirtschaftliche Folgen für das Unternehmen. Die Flaschen mit den Logos und Wahlprogrammen der einzelnen Parteien sorgte für Aufsehen und der Einzelhandelskonzern Edeka schickte die Flaschen mit AFD-Aufdruck wieder zurück. In diesen Fällen hatte die Werbestrategie direkten Einfluss auf den Umsatz des Unternehmens.
Eine provokative Kampagne kann schnell einen Shitstorm mit sich ziehen. Die Kommentare zu den Beiträgen rund um die Kampagne der schwarzen Flasche sind hauptsächlich negativ gestimmt (True Fruits, 2019a). Dabei bildet sachliche Kritik die Minderheit. Die meisten Kommentare sind beleidigend und zeigen völliges Unverständnis. Nach der zu Beginn aufgestellten Definition eines Shitstorms ist dies ein sehr gutes Beispiel. Allerdings blieb es nicht nur bei beleidigenden Kommentaren und Boykottaufrufen. Eine Petition mit mittlerweile über 67 000 Unterschriften fordert Einzelhandelsunternehmen auf, True Fruit Smoothies aus dem Sortiment zu nehmen. „Als ein Unternehmen mit großer medialer und öffentlicher Reichweite trägt True Fruits soziale Verantwortung“ heißt es in der Petition und prangert das Verbreiten von Stereotypen, verherrlichen von sexueller Gewalt oder auch Ableismus an.
Der Shitstorm beschränkte sich aber nicht nur auf den digitalen Raum. Unbekannte Täter vandalierten im Februar 2019 am Haupteingang der Firmenzentrale. Roter Farbe wurde „Rassistenschweine“ und „Fickt euch Sexisten“ an die Tür geschrieben und mit Eiern beworfen. Das zeigt, dass gerade Themen wie Sexualität und Rassismus so polarisierend sind, dass Gegner der Kampagne bereit sind, Straftaten zu begehen.
In Deutschland und Österreich ermittelte schon mehrmals der Presserat des jeweiligen Landes gegen das Unternehmen. Zahlreiche Beschwerden veranlassten die Werberäte dazu, gegen True Fruits zu ermitteln. In Deutschland gingen rund 900 Beschwerden zu einem Werbemotiv wegen obszöner Sexualisierung bei dem Werberat ein. Zu sehen waren ein Männer- beziehungsweise Frauenrücken, auf dem mit Sonnencreme ein ejakulierender Penis gemalt war mit der Bildunterschrift „Sommer, wann feierst du endlich dein Cumback?“.
Der Deutsche Werberat sprach keine Rüge aus, aber die Geschäftsführerin des Deutschen Werberates mahnte, dass „true fruits sich aber schon fragen [sollte], ob die Obszönität und die Tonalität der beanstandeten Motive Gradmesser für legitime und gesellschaftlich akzeptierte Stilmittel zukünftiger Werbemaßnahmen sein sollten“. Zu der selben Kampagne erreichte den Österreichischen Werberat ebenfalls zahlreiche Beschwerden und ein Verfahren wurde eingeleitet. Der Werberat kam zu dem Entschluss, dass die Kampagne gegen mehrere Punkte des Ethik-Kodex der Österreichischen Werbewirtschaft verstößt und die Kampagne sofort gestoppt und gelöscht werden muss.
Analyse
Es wird deutlich, dass True Fruits sich mit zunehmender Konkurrenz von der Masse abheben will. Ein gesunder Lifestyle und Nachhaltigkeit reichen nicht mehr als Alleinstellungsmerkmal in der Branche aus. Das Unternehmen ist bekannt für die humorvollen Sprüche und Wortwitze auf den Flaschen. Es wird sich als jung und frech präsentiert und viele Werbeaktionen kommen beim Publikum auch oft gut an. Die Kreativität des Teams ist eine Stärke, die das Unternehmen weiter nach vorne bringen kann.
True Fruits spielt auch oft mit den Emotionen. Themen wie Rassismus und Sexismus betreffen viele Menschen in unserer Gesellschaft und sind oft wunde Punkte. Unter dem Motto „ […] mit Humor verstößt man bekanntlich nicht gegen Verhaltensregeln.“ werden doppeldeutige Botschaften und negativ assoziierte Bezeichnungen und Stereotypen in den Kampagnen aufgegriffen. Auf Kritik reagiert das Unternehmen nicht professionell und macht sich öffentlich über Kritiker lustig. Das lässt den Eindruck entstehen, dass das Unternehmen sich selbst als unfehlbar sieht und die Auseinandersetzung mit jeglicher Kritik nicht zu lässt. Kein Wunder also, dass die Empörung über das Statement zu der Kampagne der schwarzen Flasche groß war.
In einer Bachelorarbeit zu dem Thema „„Die Macht der Provokation – Polarisierende Prominente in der Werbung“ kommt zu dem Schluss, dass polarisierende Prominente in der Werbung mehr Aufmerksamkeit auf sich beziehen und eher beachtet werden. Dasselbe Phänomen ist auch bei den Kampagnen von True Fruits zu sehen. Polarisierende Themen erregen deutlich mehr Aufmerksamkeit als die üblichen Wortspiele.
Jede der umstrittenen Kampagnen war medienwirksam und brachte dem Unternehmen viel Aufmerksamkeit. Die Reichweite der betroffenen Social Media Beiträgen war um ein Vielfaches höher als andere Beiträge. Auch die Berichterstattung über verhalf True Fruits zu mehr Bekanntheit. Die Gefahr ist allerdings, dass zwar die Bekanntheit steigt, aber die Reputation des Unternehmens dauerhaft geschädigt wird. Dies kann zu einem Rückgang der Verkaufszahlen oder einem Verkaufstop in Supermärkten führen.
Das Unternehmen True Fruits gehört mittlerweile zu den Marktführern in der Smoothie Branche. Bis zum April 2014 hatte True Fruits einen Marktanteil von bis zu 35%. Ab Juni 2014 verzeichnete das Unternehmen bis Juni 2015 einen starken Anstieg bis zu 59% Marktanteil. Den höchsten Marktanteil verzeichnete das Unternehmen im Juni 2016 mit insgesamt 61% Marktanteil. Danach ging der Marktanteil wieder zurück. Ab August 2017 lässt sich ein deutlicher Rückgang des Marktanteils feststellen. Im August 2017 startete auch die umstrittene Kampagne der schwarzen Flasche in Österreich. Daraus lässt sich schließen, dass die Kampagne negative Einflüsse auf das Konsumverhalten der Kunden gehabt hat. Zu sehen ist der leichte Abwärtstrend auch im jährlichen Umsatz von 2018. Während 2017 noch insgesamt rund 20,4 Millionen Euro erwirtschafteten, wurden 2018 nur rund 19,2 Millionen Euro Umsatz verbucht. Auffällig ist, dass 2018 das einzige Jahr zwischen 2015 und 2020 mit einem Rückgang des Umsatzes ist. Im Jahr 2019 und 2020 konnten aber wieder neue Rekordumsätze verbucht werden. Die umstrittene Kampagne war nicht mehr als ein kleiner Dämpfer, von dem sich das Unternehmen schnell erholen konnte.
Handlungsempfehlung
Ein großes Ziel in der PR ist der Aufbau von Vertrauen in die Marke. Mit einer provokativen Werbestrategie kann die Bekanntheit zwar enorm gesteigert werden, aber auch das Vertrauen in die Marke sinken. Gerade bei sensible Themen wie Rassismus, sexuelle Gewalt oder Religion nicht kann das Ansehen und das Vertrauen in die Marke sinken und sollten deshalb nur mit Vorsicht behandelt werden. Grund dafür sind laut einer Studie die tiefere Auseinandersetzung mit den Inhalten, wenn diese provokativ sind. Die Wahrnehmung der provokativen Inhalte kann sich auch ins Positive wandeln, wenn das Unternehmen sich sozial engagiert und dies in der Kampagne äußert. Dabei reicht es nicht aus, wie im Fall von True Fruits, zu schreiben „Wir finden Rassismus genauso zum Kotzen[…]“. Das soziale Engagement muss von der Öffentlichkeit auch als solches erkannt werden. In Zukunft sollte True Fruits im Falle einer erneuten Kampagne, die das Thema Rassismus aufgreift, aktiv ein Projekt gegen Fremdenfeindlichkeit unterstützen. Dadurch wird der Kampagne ein ernsterer Hintergrund verliehen und sie wird insgesamt positiver wahrgenommen.
Im Falle eines erneuten Shitstorms sollte sich mit konstruktiver Kritik auseinandergesetzt werden. Ein locker formuliertes Statement mag zwar zu dem Firmenimage passen, aber blockiert jede Art von Dialog. Nur durch konstruktives Feedback können Fehltritte in Zukunft vermieden werden. Das senkt auch die Gefahr eines Imageverlustes.
Eine weitere Empfehlung ist der Austausch mit Betroffenen von Rassismus. Da vermutlich keiner der Angestellten Rassismus erfahren musste, wie ihn beispielsweise schwarze Menschen erleben, ist ein Austausch sinnvoll. So kann in Zukunft vermieden werden, dass verletzende Stereotypen in Kampagnen aufgegriffen werden.
Das Unternehmen steht besonders für Nachhaltigkeit und regt die Konsumenten zum Umdenken an. Durch kreative Aufsätze für die Flaschen regt das Unternehmen zum nachhaltigen Wiederverwenden der Flaschen an. Durch eine Facebookgruppe, in der Fans ihren eigenen Möglichkeiten der Wiederverwertung präsentieren können, wird dieser Gedanke zusätzlich unterstütz. True Fruits gibt an, dass ihrer Zielgruppe Gesundheit und Nachhaltigkeit wichtig ist. Deshalb sollte das Thema Nachhaltigkeit verstärkt in der Kommunikation aufgegriffen werden.
Fazit
In dieser Ausarbeitung sollten die Fragen beantwortet werden, wie viel Provokation für die Aufmerksamkeit der Konsumenten nötig ist und welche Themen dabei vermieden werden sollten.
Der Smoothie Hersteller True Fruits fällt immer wieder durch provokative Marketingkampagnen auf. Dem Unternehmen wird regelmäßig Rassismus, Sexismus oder Ableismus vorgeworfen. Sie spielen oft mit heiklen Themen, wie zum Beispiel sexuelle Gewalt, Rassismus oder Religion. Besonders durch die Stellungname auf die Rassismusvorwürfe entsteht der Eindruck, dass das Unternehmen bewusst mit diesen Themen provozieren will. Im Rahmen dieser Arbeit wurde herausgestellt, dass gerade diese Themen zu einem Vertrauensverlust in die Marke führen kann.
Nach der umstrittenen Kampagne in Österreich 2017 ging der Marktanteil und die Gewinne des Unternehmens zurück. Obwohl der Marktanteil nicht mehr auf vorherigen Wert angestiegen ist, konnten ab 2019 wieder Rekordgewinne verzeichnet werden. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass kein langfristiger Imageschaden entstanden ist.
Da diese Arbeit ausschließlich auf öffentlich zugänglichen Informationen beruht, konnten keine internen Informationen, wie zum Beispiel verkaufszahlen der einzelnen Produkte oder die Kosten der Kampagnen ermittelt werden. Diese Informationen hätten einen noch genaueres Ergebnis zu der umstrittenen Kampagnen geben können.
True Fruits schafft es auch, ohne Provokation Menschen zu erreichen und treue Kunden zu gewinnen. Durch regelmäßige Limitierte Flaschendesigns, kreative Upcycling Ideen für die Flasche oder humorvollen Wortwitzen kann sich die Marke durchaus von der Konkurrenz abheben.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die umstrittenen Kampagnen langfristig keinen großen Auswirkungen auf das Unternehmen True Fruits hat. Der kurzfristigen Rückgang vom Marktanteil und dem Jahresumsatz lässt darauf schließen, dass diese Art von Provokation nur selten eingesetzt werden sollte, um schwerwiegende Imageschäden zu vermeiden. Des Weiteren ist im Falle einer erneuten Kampagne mit einem riskanten Thema ist eine Zusammenarbeit mit einer entsprechenden Organisation zu empfehlen. Anstatt nur auf die Probleme in unserer Gesellschaft hinzuweisen, sollte das Unternehmen ihre Reichweite nutzen und was bewirken. Das hätte mehr Einfluss, als ein paar provokative Werbesprüche.
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